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Spinnerdörfer

Geschichte

Spinnerdörfer, Bethäuser und Spinner Nuthetaler Vereine leben Geschichte
Manchmal fügen sich ganz unterschiedliche  Dinge ohne unser Zutun zu einem großen Ganzen. Es ist eine warme Spätsommerwoche Mitte September 2020.


Am 16.September  trifft sich die Chronistenvereinigung des Landkreises Potsdam-Mittelmark in Freienthal, einem Ortsteil der Gemeinde  Planebruch, zu ihrem 188. Treffen. Im geräumigen, idyllisch am Rande der Belziger Landschaftswiesen gelegenen Gemeindezentrum werden sie vom Ortsvorsteher und  vom Amtsdirektor herzlich willkommen geheißen. Stolz ist man auf den kleinen Ort, der 2004 seine 250 Jahrfeier beging, und auf seine Bewohner, die für das Jubiläum so manches in Erinnerung brachten. Wenn Karin Hanusch, Buchautorin und Ortschronistin aus Brück, ihre Geschichten liest, sieht man sie ziehen, die Kolonisten, die sich 1754 von Friedrich II. ins gelobte Land locken ließen. Ihre ganze Habe auf Handwagen, vielleicht einem geliehenen Gespann, machen sie sich mit ihren Familien auf den Weg - aus Sachsen, dem Fürstentum Anhalt-Zerbst, aus Böhmen, Schlesien, Mecklenburg und Polen, um in preußischen Landen eine neue bessere Heimat zu finden. Was hat man ihnen nicht alles versprochen, bevor sie sich auf die lange mühsame Reise machten, für kaum einen gab es ein Zurück. Glaubensfreiheit, Befreiung von Kriegsdiensten und Steuern, Haus, Garten, Vieh. Wie enttäuschend für viele die Ankunft. Die kleinen Fachwerkdoppelhäuser mit Strohdach aufs einfachste errichtet, ohne Fundamente, ohne massive Decken, oft nicht einmal fertiggestellt. Von den ohnehin begrenzten königlichen Mitteln für den Bau der Häuser hatten beauftragte  Beamte  Mittel und Wege zur Einsparung gefunden. Angelegt wurden die Kolonistendörfer auf kaum genutztem Ödland, oft inmitten oder am Rande von Sümpfen. Entsprechend mühsam, hier eine Landwirtschaft aufzubauen. Dazu Feindlichkeiten aller Art von den Ansässigen, denen man das Weideland, wenn auch schlechtes, einfach entzogen hatte.

Geschichte

Recht anschaulich beschreibt ein Brief die Lage der Neuansiedler in Freienthal noch 10 Jahre nach ihrer Ankunft,  den Oberamtmann Steinert aus Lehnin an den König gerichtet am 4. August des Jahres 1764 aufsetzte (Artikel von B. Kraemer, MOZ Sep. 2019):
 "Wenn in einem wohl eingerichteten Gemeinwesen neue Familien und Gesellschaften angesetzt werden, welche mit vereinigten Kräften ihr Brot verdienen, ihre Glückseligkeit befördern und zum Besten und der Wohlfahrt des Landes nach allen Möglichkeiten auch was Nützliches beitragen sollen, so ist auch ein Bethaus nötig. Weder Schulanstalt noch Kirche sind vorhanden. In diesem jämmerlichen und beklagenswerten Zustande haben nun die 50 Familien 10 Jahre zugebracht ... Gegenwärtig nun wird der Gottesdienst im Krug in der ordinären Bierstube gehalten, worinnen vorher oder hinterher getrunken, geraucht und auch wohl getanzt wurde. Wenn das Heilige Abendmahl gereicht wird, so haben die Communikanten nicht Platz in der Stube und auf dem Flur, sondern müssen auf der Straße stehen. „

Schafe

Weiter schreibt Frau Kraemer:“ Ganze 20 Jahre später - 1784 - wurde dann endlich das kleine Freienthaler Bethaus erbaut. Zu diesem Zeitpunkt noch ohne Turm, glich es äußerlich der vorhandenen Wohnbebauung. Im Jahre 1792 ließ die Gemeinde dann auf eigenen Kosten den kleinen Turm errichten. Um 1800 entstand als Anbau die Dorfschule. Beide Gebäude wurden erst um 1900 massiv ausgebaut.“

 

Vier Tage später besucht der Geschichtsverein Nuthetal e.V. im Rahmen seiner Reihe „Geschichte am Wegesrand“ das Nuthetaler Spinnerdorf Philippsthal. Auch hier hatte seinerzeit Kriegs-und Domainenrat Pfeiffer Materialien, die für die 25 Kolonistendoppelhäuser geplant waren, abgezweigt. Ständigen Streit gab es mit den Nudower Bauern um die Trift, die zu den Weideflächen in Richtung Nuthewiesen und nach Drewitz führte.


Auch um die versprochene Kirche stand es nicht anders als in Freienthal. Zwar hatte der König eine Kirche versprochen, aber für Trauungen, Taufen und Begräbnisse musste Jahrzehnte die Schule, das sogenannte Bethaus, herhalten.  Zum Gottesdienst lief man nach Saarmund, wenn es der bauliche Zustand der dortigen Kirche erlaubte. Vor dem Bau der heutigen Kirche 1848 mussten auch die Saarmunder jahrelang auf das Philippsthaler Bethaus ausweichen, welches 1832 von Grund auf erneuert worden war. Ihr heutiges Aussehen erhielt die ehemalige Dorfschule, heute teilweise Gemeindezentrum, 1899. Den Bau einer eigenen Kirche mussten die Philippsthaler schließlich selbst in die Hand nehmen. 1904 konnte sie nach einjähriger Bauzeit eingeweiht werden. Nach 150 Jahren beteiligte sich nun auch die Königliche Regierung mit dem versprochenen Zuschuss.

Auch in Philippsthal wurden die Geschichtsinteressierten vom Ortsvorsteher herzlich begrüßt, dass Gemeindezentrum lud auf dem lauschigen Hof zum Verweilen ein. Der gemütliche Austausch der Teilnehmer führte schließlich zu einer weiteren interessanten Veranstaltung.


Am letzten Sonntag im  November wird die Tremsdorfer Spinngruppe der Landfrauen in Philippsthal sein. Bis dahin ist die Wolle der Philippsthaler Schafe gereinigt und kann weiterverarbeitet werden. Wer das alte Handwerk kennenlernen möchte, ist herzlich eingeladen.

 

Angela Schneider
Ortsverein Tremsdorf e.V.